In Deutschland gibt es einen hohen Bedarf an Baustoffen. Für eine nachhaltigere Bauwirtschaft ist es zentral, die Potenziale von Recycling, nachwachsenden Rohstoffen und effizienten Bautechniken vollständig auszuschöpfen. Wo ein Abbau unvermeidbar ist, bieten sich jedoch Chancen, durch gezielte Maßnahmen positive Impulse für die Natur zu setzen. In Sand- und Kiesgruben sowie Steinbrüchen können dabei Lebensräume entstehen, die für viele, auch bedrohte Arten, wie den Flussregenpfeifer, die Kreuzkröte oder die Blauflügelige Sandschrecke, überlebenswichtig sind. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmen und Behörden gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie“ (GiBBS) gemeinsam neue Wege entwickelt.
Frechen 2 Quarzsandtagebau Foto: Quarzwerke Frechen
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), entstand ein umfassendes Handbuch, das Unternehmen dabei unterstützt, Biodiversitätsmaßnahmen nachhaltig in ihren Betrieb zu integrieren. Mit praktischen Anleitungen und konkreten Beispielen zeigt es, wie der Schutz von Lebensräumen sowohl effizient als auch kostengünstig gelingen kann.
Wechselkröte Foto: Katharina Schwesig
„Die Gewinnung von Sand, Kies oder Kalkstein greift in die Natur ein, doch sie kann auch neue, karge Lebensräume schaffen, die für Pionierarten unverzichtbar sind“, erklärt Prof. Dr. Christoph Scherber, stellvertretender Generaldirektor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB). Forschende des LIB und der Universität Münster dokumentierten in zwölf Gewinnungsstätten über 1.200 Arten, darunter seltene Pflanzen, Vögel, Amphibien und Reptilien.
Libellenmonitoring in einem Kalksand Steinbruch. Foto :Christoph Scherber
Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Projekts war der Dialog zwischen den beteiligten Partnern. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) untersuchte die Hürden und Chancen für Unternehmen, während der NABU freiwillige Bürger*innen für Monitoring-Projekte schulte. „Mit diesem gemeinsamen Ansatz konnten wir praktikable Lösungen entwickeln, die Naturschutz und wirtschaftliche Interessen vereinen“, erklärt Anneli Heinrich, Projektleiterin am IÖW.
Kreuzkrote Foto :Christoph Scherber
Auch der Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO) war eng eingebunden. „Das Handbuch bietet praxisnahe Anleitungen, wie Unternehmen biodiversitätsfördernde Maßnahmen umsetzen können, ohne ihre Betriebsabläufe zu beeinträchtigen“, betont Ivonne Arenz von MIRO.
Ein zentrales Ergebnis des Projekts ist, dass Unternehmen Biodiversität nicht als Hindernis, sondern als Chance begreifen können – sei es zur Verbesserung ihres öffentlichen Images, zur Kooperation mit Naturschutzbehörden oder zur Schaffung eines positiven Arbeitsumfeldes. „Maßnahmen wie die Schaffung von Brut- und Ruheplätzen oder die Berücksichtigung von Arten bei Betriebsabläufen sind mit wenig Aufwand umsetzbar“, ergänzt Patrick Schöpflin vom IÖW.
GiBBS Infografik Foto: IOEW UM Leitner
„Neben eigenem Fachpersonal und externen Dienstleistern können auch engagierte Bürgerinnen und Bürger das Monitoring unterstützen“, ergänzt Elena Kortmann, Referentin für Artenschutzkoordination im NABU. Im Projekt GiBBS beteiligten sich insgesamt 30 Freiwillige. Der NABU koordinierte die Einsätze und entwickelte einen E-Learning-Kurs, um das Artenwissen zu erhöhen und zur Mitwirkung in solchen Citizen-Science-Projekten in Gewinnungsstätten zu befähigen. „Für Naturbegeisterte ist es eine gute Möglichkeit, seltene Arten in besonderen Lebensräumen zu erleben und sich weiterzubilden. Im Gegenzug können Unternehmen ihr Engagement für Biodiversität aufzeigen", so Kortmann.
Quelle: NABU